Kommunikation gehört bisher nicht zum Lehrplan
Doch moderne Möglichkeiten wie Social Media Kanäle als Plattform für Selbstmarketing und die eigene Forschung zu nutzen, fällt längst nicht allen Forschern leicht. Eine große Herausforderung: Man muss lernen über seine Forschung zu sprechen und zwar mit jeder Zielgruppe. Der Grad zwischen wissenschaftlicher Korrektheit, Verständlichkeit und der völligen Überladung mit Fakten ist dabei oft schmal. So ist es ein meilenweiter Unterschied, ob man bei einem Science Slam auftritt, einen Fachvortrag auf einer Konferenz hält oder für ein Naturschutzprojekt wirbt. Ein Beispiel: Anders als in einem Artikel für ein Wissenschaftsjournal ist in sozialen Netzwerken die eigene Persönlichkeit gefragt. Positiv formuliert: Wissenschaftler haben die Chance, sich ein Profil über einen reinen Expertenstatus hinaus zu erarbeiten. Genau diese Erfahrung hat auch Reinhard Remfort gemacht. Sein Podcast, die Science Slam Auftritte und Kindervorlesungen haben ihm Türen geöffnet. Der Physiker bekommt Einladungen zu Vorträgen an anderen Hochschulen und gibt Interviews im Fernsehen.
Eine Pflicht zur Kommunikation besteht trotz vieler Vorteile natürlich nicht. Jeder Forscher hat auch heute noch das Recht, sich zurückzuhalten und nur zu forschen. "Junge Forscher sollten sich aber wenigstens grundlegend mit Wissenschaftskommunikation und Selbstmarketing beschäftigen. Mit dem nötigen Wissen kann jeder für sich selbst entscheiden, ob er diese Möglichkeiten nutzen will oder nicht", sagt Dernbach. Doch genau dafür fehlen die passenden Angebote an den Hochschulen. Gleichzeitig ist auch das Interesse der Wissenschaftler noch begrenzt - mal aus Zeitmangel, mal aus Bequemlichkeit. "Vielen Wissenschaftlern fehlt tatsächlich die Medienkompetenz", bestätigt auch Lugger. Ihre Forderung: Wissenschaftler müssen die Medien und ihre Gesetze kennenlernen und Wissenschaftskommunikatoren die Forscher genau dabei aktiv unterstützen. "In den USA gehört Kommunikationskompetenz längst zum Lehrplan in den Naturwissenschaften. In Deutschland stecken solche Angebote in den Kinderschuhen", sagt sie.
Soziale Netzwerke als Austausch-Medium
Gleichzeitig wird das Web 2.0 für Arbeit von Wissenschaftlern und den Austausch untereinander immer relevanter. Beispiele: Mit "Mendeley" und "ResearchGate" profilieren sich gerade zwei soziale Netzwerke speziell für Wissenschaftler am Markt. Das Startup "Impact Story" will dagegen den etablierten Impact-Factor ergänzen. Er gibt Auskunft darüber, wie oft die Artikel eines Journals in anderen Publikationen zitiert werden. Bei Impact Story werden als Ergänzung auch Erwähnungen in Blogs, sozialen Netzwerken oder populärwissenschaftlichen Magazinen bewertet. Dabei ist es durchaus denkbar, dass Fachartikel, über die viel im Netz gesprochen wurde, auch in der Wissenschaft mehr Gehör finden. Eine etwas radikalere Veränderung im Wissenschaftsbetrieb fordert die Open Review Bewegung: Im Moment werden die Studien-Paper für Fachzeitschriften von anonymen Gutachtern geprüft. Seit Jahren mehren sich Stimmen, die eine offene Beurteilung im Netz fordern, um für mehr Transparenz zu sorgen.
Vor- und Nachteile der Medienpräsenz von Wissenschaftlern
Bei allen Möglichkeiten und Vorteilen gibt es auch Schattenseiten der Netz- und Medien-Präsenz von Wissenschaftlern. Ein Beispiel: Nicht jeder ist bereit, sich dem zeitweise rauen Umgangston im Netz auszusetzen. Nicht selten bestehen Kommentare unter Blogbeiträgen und Artikeln aus abstrusen Argumenten und direkten Beleidigungen. Wahlweise wird der Klimawandel geleugnet, windige Medikamente angepriesen oder die Rückseite des Mondes in Händen von Außerirdischen geglaubt. Der Umgang mit oft renitenten Spinnern will gelernt sein. Auch die Kollegen stehen einer offenen Kommunikation nicht immer wohlwollend gegenüber. Medialpräsenten Wissenschaftlern wird noch oft genug unterstellt, zu wenig zu forschen. Die Lösung: Ein gesundes Mittelmaß. "Man muss aufpassen, dass man nicht zu viel Zeit mit Science Slams und Podcasts verbringt. Die Wissenschaft ist schließlich der Hauptjob", berichtet auch Remfort. Von seinen Kollegen hört er wenig Kritik. Die Pressestelle seiner Hochschule ist dagegen sehr begeistert über sein Kommunikationsbedürfnis.
Im Forscheralltag hilft die Öffentlichkeitsarbeit nur begrenzt. In seiner Doktorarbeit beschäftigt er sich mit künstlichen Diamanten, mit denen man Magnetfelder im Nano-Bereich messen kann. "Bei der Arbeit im Labor oder dem Schreiben von Artikeln für Fachjournale hilft das nicht. Vielleicht habe ich gelernt, bessere Vorträge zu halten", sagt er. Noch im Studium drückte Remfort sich am liebsten um Präsentationen herum und vor Vorträgen war die Aufregung groß. Inzwischen könnte er sich aber auch eine Karriere außerhalb der Forschung vorstellen. Schließlich seien die Arbeitsbedingungen an den Hochschulen nicht die Besten. "Im Moment ist alles in Ordnung. Aber wenn ich sehe, wie sehr sich manche Postdocs aufreiben, kommen mir schon Zweifel", sagt er. Wissenschaftskommunikation wäre vielleicht eine gute Alternative.